1767 – 1835
...
und ewig konnt mit uns auch
ihr bestehen,
da Geist und Licht in eins
zusammenfließen;
...
...
Kein Fluß zur Quelle seine
Fluten wendet,
der Tag, der einmal sich ins
Meer gesenket
zum vorgen Morgen nicht den
Pfad mehr lenket.
...
In welches Meer zusammen nun
geflossen
ist, was erstrebet wurde und
genossen?
Im Ozean der Zeit ist es
begriffen,
den finstrer Wolkennebel Nacht
verhüllet,
von dem wir Küstenspannen nur
umschiffen.
...
Die Gegenwart allein im
Angesichte
...
sollen am Webstuhl der Zeit
wir weben.
...
...
Wie fern man auch des Wissens
Grenze rücket,
...
doch nichts das Tiefste so der
Brust ergreifet,
als Hellas sie erschüttert und
entzücket.
...
...
Denn alles, was da lebet und
empfindet,
ist an das große Weltenrad
gebunden
...
Nach seinem Schmerz, nach
seinem Glück nicht fraget,
es trägt und wirkt, und in dem
All verschwindet...
...
In jedem Jahr man durch die
Stunde gehet,
der keiner, der auf Erden
lebt, entfliehet...
...
...
Die Sterne nur stehn fest am
Himmelsbogen,
sonst sich mit allem Flucht
und Wandel gatten.
...
Wird aus dem Tod ins Leben
Dämmrung grauen?
Wird rückwärts sich der Blick
erkennend finden,
wenn ihn die Tränen der
Verlaßnen laden?
...
Oft wenn in trüben,
düsterschweren Tagen
die Winde gellend durch den
Luftraum pfeifen
und drohend Bäum’ und Dächer wild
ergreifen,
sie fern hinweg die finstren
Wolken jagen.
Die Sonne kehrt im goldnen
Strahlenwagen,
der Blick kann frei im blauen
Äther schweifen,
den Saum des Tales Nebel kaum
bestreifen,
und klar des Schneegebirges
Häupter ragen.
Den Busen auch durchwüthen
wilde Stürme,
Doch nie den Geist vermögend
zu erheitern,
Nur ihn mit wüster, öder Leere
füllen.
Der Seele Sonnenschein
entstrahlt dem Willen,
Nur ihm gelingt es, das Gemüth
zu läutern,
Daß gegen Leidenschaften Ruh’
es schirme.
Aurora eilt voraus dem
Sonnenwagen,
Der Rosse Hauch deckt
Schultern ihr und Rücken,
Es glänzt ein Strahlenmeer von
Farbenblicken,
Die flutend sich, wie Welle
Welle, jagen,
Nicht unbegleitet auch die
Nacht einschlagen
Kann ihren Schattenpfad; des
Thaus erquicken,
Als Botengruß, die finstern
Wolken schicken,
Und Dämmrung muß ihr vor ihr
Zwielicht tragen.
Im Leben nie sich volles Licht
ergießet,
Ein schattig Grau damit
zusammenfließet,
Wie zweifelnd, obs zu Tag, zu
Nacht sich wende.
Ists Morgenroth, das einst in
Tag verschwindet,
Ists Abenddämmerung, die Nacht
verkündet,
Was scheuen Schritts uns führt
zum Lebensende?
Wenn sehnsuchtsvoll nach etwas
wird gerungen,
Ists nicht Begierde nur, es zu
empfangen,
Es ist ein grundursprüngliches
Verlangen,
In das die Seele gänzlich ist
verschlungen.
Von Sehnsucht ist der Busen
tief durchdrungen,
Wenn süßen Liebeglühens zartes
Bangen
Errötend färbt der Jungfrau
holde Wangen,
Wenn ihr der Gegenliebe Wort
geklungen.
Mit Sehnsucht wünscht man sich
zum Schoß der Erde,
Daß Staub zu Staub und Geist
zu Geiste werde
Und Himmlisches vom Irdischen
sich trenne.
Allein am heftigsten die
Sehnsucht glühet,
Daß, was das Erdenlicht als
Schatten fliehet,
Im Himmlischen sich wieder
liebend kenne.
So wär’ umsonst des
Wiedersehns Verlangen?
Wie Harfenlispeln nach und
nach verklinget,
Wie schwach und schwacher
stets die Saite schwinget,
So wär’ einst ohne Spur sie
hingegangen?
Der Mensch auch weiß nicht,
wie er angefangen,
Kein Forschen über Lebens
Gränze dringet.
Wohin es führt, was in das
Dasein bringet?
Darauf nie Worte sichrer Kunde
klangen.
Bewußtsein kann zwei Leben
nicht verketten,
Sagt man, das eine muß in
Nacht sich betten,
Nichts kann die Kluft der
Welten überbrücken.
Doch kann auch Dasein
Untergang nicht leiden,
Drum muß es ewig sich in
Wechsel kleiden,
Und ungewisser Hoffnung Blume
pflücken.
1767 – 1835
Wie schlanke Birke freudig
aufwärts raget,
wie scheues Reh zum
Wiesenbache springet
und aufgeschreckt durch Wald
und Dickicht dringet
und, wo es Mut erheischt,
selbst furchtsam waget:
so Fanny, frisch und tätig,
wenn es taget,
bis spät hin alles zur
Vollendung bringet;
was sie beginnt, ihr rasch und
gut gelinget,
und, hülfreich andren, sie für
sich entsaget.
Aus ihrem offnen Auge Wahrheit
blicket
und unerschütterlich bewahrte
Treue
mit Tüchtigkeit und klarer
Sinnenhelle.
Doch innerlich strömt der
Gefühle Quelle
in ungetrübter,
gottentstrahlter Weihe,
die still ihr tiefergriffnes
Herz entzücket.
1767 – 1835
Wo breiter Strom in reiner
Klarheit fließet,
langsamen Zuges schwere
Schiffe träget,
der Mühlen fleißge Räder still
beweget
und seine Ufer strömend
freundlich grüßet:
so sich Alinens Leben hin
ergießet,
von willger Herzensgüte
angereget,
die ein Bestreben nur mit
Sorgfalt heget,
daß einfach es der Kreis der
Pflicht umschließet.
Sie hascht genügsam niemals
nach Genusse,
kein Erdenschicksal füllt sie
mit Verdrusse,
an keines Lohnes Hoffnung sie
sich lehnet;
sie wünscht dem Tag nicht mehr
noch wenger Stunden,
und wenn des Lebens Knäuel sie
abgewunden,
ist Grabesruh ihr lieb, doch
nicht ersehnet.
1767 – 1835
Leontine
Wie dunkle Myrthe still
bescheiden stehet,
mit keiner bunten Farbenpracht
sich schmücket,
durch keiner Blüte Wohlgeruch
entzücket,
man weiß nicht wie, von Anmut
doch umwehet:
so Leontine durch das Leben
gehet
und unverwandt nur auf den
Einen blicket,
den jeder Erdenmühe sie
entrücket
und ihm den Himmel öffnet,
sternbesäet.
Als wäre sie in Nebelduft
gehüllet,
sie durch die Menschenmenge
sich beweget;
kein Wort aus ihren stillen
Lippen quillet,
das nicht sich an den
Tiefverehrten wendet,
in dessen Lebenskreis sie
eingeheget,
treu jeden Tag beginnt und
jeden endet.
Der Menschen Kunde
täglich sich vermehret,
Die Sterne mißt,
und Erd’ und Meer durchspähet,
Doch um was sich
die innre Weisheit drehet,
Liegt heute, wie
die Vorzeit es gelehret.
Wie tief der Mensch auch
forscht, in sich gekehret,
Ein tief Geheimnis durch die
Schöpfung gehet,
Und unsichtbar der Hauch der
Wahrheit wehet,
Und dunkles Ahnden kaum dem
Geist gewähret.
Doch an zwei Punkten alle
Lösung hänget:
Was das ist, das die Seele
hier umkleidet,
In Staub sich löst, in Stein
zusammen dränget?
Und was ein Wesen von dem
andren scheidet,
Da, die der Liebe süße Band’
umwinden,
Doch Eins in zweien ewig nur
empfinden.
1767 – 1835
Die letzten Schranken
Von kleinem Hügel man zu
größren steiget,
um frei in weite Ferne auszublicken,
doch höhren Berges
langgedehnter Rücken
sich, weite Aussicht hemmend,
immer zeiget.
Und jede Stufe neue Sehnsucht
zeuget,
man träumt von nie geahndetem
Entzücken;
da plötzlich Gipfel ihre
Schatten schicken,
wo jeder Laut lebendgen Wesens
schweiget.
die bleiben dann vom Wandrer
unerstiegen,
er sieht, er muß ein Ziel dem
Suchen stecken,
und auf den letzterreichten
Höhn verweilen.
So auch des Lebens Stufenaler
eilen;
erst wächst das Licht, dann
sieht man Nacht sich strecken,
und zweifelt, ob die Funken
überfliegen.
...
Des Menschen Schicksal hat
sein Recht geübet
...
des Schiffes Segel ist schon
aufgezogen,
das mich zur Küste gegenüber
traget...