Wilhelm von Humboldt           Nr. 682 vom 21. 2. 1834

1767 – 1835

 

...

und ewig konnt mit uns auch ihr bestehen,

da Geist und Licht in eins zusammenfließen;

...

 

 

 

 

 

 

Nr. 685 vom 24. 2. 1834

 

...

Kein Fluß zur Quelle seine Fluten wendet,

der Tag, der einmal sich ins Meer gesenket

zum vorgen Morgen nicht den Pfad mehr lenket.

...

 

In welches Meer zusammen nun geflossen

ist, was erstrebet wurde und genossen?

Im Ozean der Zeit ist es begriffen,

den finstrer Wolkennebel Nacht verhüllet,

von dem wir Küstenspannen nur umschiffen.

 

 

 

 

 

 

Nr. 687 vom 26. 2. 1834

 

...

Die Gegenwart allein im Angesichte

...

sollen am Webstuhl der Zeit wir weben.

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Nr. 786 vom 24. 2. 1834

 

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Wie fern man auch des Wissens Grenze rücket,

...

doch nichts das Tiefste so der Brust ergreifet,

als Hellas sie erschüttert und entzücket.

...

 

 

 

 

 

 

 

Nr. 814 vom 24. 3. 1834

 

...

Denn alles, was da lebet und empfindet,

ist an das große Weltenrad gebunden

...

 

Nach seinem Schmerz, nach seinem Glück nicht fraget,

es trägt und wirkt, und in dem All verschwindet...

 

 

 

 

 

Nr. 815 vom 25. 3. 1834

 

...

In jedem Jahr man durch die Stunde gehet,

der keiner, der auf Erden lebt, entfliehet...

...

 

 

 

 

 

 

 

 

Nr. 816 vom 26. 3. 1834

 

 

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Die Sterne nur stehn fest am Himmelsbogen,

sonst sich mit allem Flucht und Wandel gatten.

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Wird aus dem Tod ins Leben Dämmrung grauen?

Wird rückwärts sich der Blick erkennend finden,

wenn ihn die Tränen der Verlaßnen laden?

...

 

 

 

 

 

 

 

 

Nr. 829 vom 8. 4. 1834

Innere Klarheit

 

Oft wenn in trüben, düsterschweren Tagen

die Winde gellend durch den Luftraum pfeifen

und drohend Bäum’ und Dächer wild ergreifen,

sie fern hinweg die finstren Wolken jagen.

 

Die Sonne kehrt im goldnen Strahlenwagen,

der Blick kann frei im blauen Äther schweifen,

den Saum des Tales Nebel kaum bestreifen,

und klar des Schneegebirges Häupter ragen.

 

Den Busen auch durchwüthen wilde Stürme,

Doch nie den Geist vermögend zu erheitern,

Nur ihn mit wüster, öder Leere füllen.

 

Der Seele Sonnenschein entstrahlt dem Willen,

Nur ihm gelingt es, das Gemüth zu läutern,

Daß gegen Leidenschaften Ruh’ es schirme.

 

 

 

 

 

 

 

Nr. 835 vom 14. 4. 1834

Frage

 

Aurora eilt voraus dem Sonnenwagen,

Der Rosse Hauch deckt Schultern ihr und Rücken,

Es glänzt ein Strahlenmeer von Farbenblicken,

Die flutend sich, wie Welle Welle, jagen,

 

Nicht unbegleitet auch die Nacht einschlagen

Kann ihren Schattenpfad; des Thaus erquicken,

Als Botengruß, die finstern Wolken schicken,

Und Dämmrung muß ihr vor ihr Zwielicht tragen.

 

Im Leben nie sich volles Licht ergießet,

Ein schattig Grau damit zusammenfließet,

Wie zweifelnd, obs zu Tag, zu Nacht sich wende.

 

Ists Morgenroth, das einst in Tag verschwindet,

Ists Abenddämmerung, die Nacht verkündet,

Was scheuen Schritts uns führt zum Lebensende?

 

 

 

 

 

Nr. 843 vom 22. 4. 1834

Der innigste Wunsch

 

Wenn sehnsuchtsvoll nach etwas wird gerungen,

Ists nicht Begierde nur, es zu empfangen,

Es ist ein grundursprüngliches Verlangen,

In das die Seele gänzlich ist verschlungen.

 

Von Sehnsucht ist der Busen tief durchdrungen,

Wenn süßen Liebeglühens zartes Bangen

Errötend färbt der Jungfrau holde Wangen,

Wenn ihr der Gegenliebe Wort geklungen.

 

Mit Sehnsucht wünscht man sich zum Schoß der Erde,

Daß Staub zu Staub und Geist zu Geiste werde

Und Himmlisches vom Irdischen sich trenne.

 

Allein am heftigsten die Sehnsucht glühet,

Daß, was das Erdenlicht als Schatten fliehet,

Im Himmlischen sich wieder liebend kenne.

 

 

 

 

 

Nr. 877 vom 26. 5. 1834

Jenseits

 

So wär’ umsonst des Wiedersehns Verlangen?

Wie Harfenlispeln nach und nach verklinget,

Wie schwach und schwacher stets die Saite schwinget,

So wär’ einst ohne Spur sie hingegangen?

 

Der Mensch auch weiß nicht, wie er angefangen,

Kein Forschen über Lebens Gränze dringet.

Wohin es führt, was in das Dasein bringet?

Darauf nie Worte sichrer Kunde klangen.

 

Bewußtsein kann zwei Leben nicht verketten,

Sagt man, das eine muß in Nacht sich betten,

Nichts kann die Kluft der Welten überbrücken.

 

Doch kann auch Dasein Untergang nicht leiden,

Drum muß es ewig sich in Wechsel kleiden,

Und ungewisser Hoffnung Blume pflücken.

 

 

 

 

 

Wilhelm von Humboldt           Nr. 879 vom 28. Mai 1834

1767 – 1835

Wie schlanke Birke freudig aufwärts raget,

wie scheues Reh zum Wiesenbache springet

und aufgeschreckt durch Wald und Dickicht dringet

und, wo es Mut erheischt, selbst furchtsam waget:

 

so Fanny, frisch und tätig, wenn es taget,

bis spät hin alles zur Vollendung bringet;

was sie beginnt, ihr rasch und gut gelinget,

und, hülfreich andren, sie für sich entsaget.

 

Aus ihrem offnen Auge Wahrheit blicket

und unerschütterlich bewahrte Treue

mit Tüchtigkeit und klarer Sinnenhelle.

 

Doch innerlich strömt der Gefühle Quelle

in ungetrübter, gottentstrahlter Weihe,

die still ihr tiefergriffnes Herz entzücket.

 

 

 

 

 

 

 

Wilhelm von Humboldt           Nr. 880 vom 29. Mai 1834

1767 – 1835

Aline

 

Wo breiter Strom in reiner Klarheit fließet,

langsamen Zuges schwere Schiffe träget,

der Mühlen fleißge Räder still beweget

und seine Ufer strömend freundlich grüßet:

 

so sich Alinens Leben hin ergießet,

von willger Herzensgüte angereget,

die ein Bestreben nur mit Sorgfalt heget,

daß einfach es der Kreis der Pflicht umschließet.

 

Sie hascht genügsam niemals nach Genusse,

kein Erdenschicksal füllt sie mit Verdrusse,

an keines Lohnes Hoffnung sie sich lehnet;

 

sie wünscht dem Tag nicht mehr noch wenger Stunden,

und wenn des Lebens Knäuel sie abgewunden,

ist Grabesruh ihr lieb, doch nicht ersehnet.

 

 

 

 

 

 

 

Wilhelm von Humboldt           Nr. 881 vom 30. Mai 1834

1767 – 1835

Leontine

 

Wie dunkle Myrthe still bescheiden stehet,

mit keiner bunten Farbenpracht sich schmücket,

durch keiner Blüte Wohlgeruch entzücket,

man weiß nicht wie, von Anmut doch umwehet:

 

so Leontine durch das Leben gehet

und unverwandt nur auf den Einen blicket,

den jeder Erdenmühe sie entrücket

und ihm den Himmel öffnet, sternbesäet.

 

Als wäre sie in Nebelduft gehüllet,

sie durch die Menschenmenge sich beweget;

kein Wort aus ihren stillen Lippen quillet,

 

das nicht sich an den Tiefverehrten wendet,

in dessen Lebenskreis sie eingeheget,

treu jeden Tag beginnt und jeden endet.

 

 

 

 

 

 

Nr. 888 vom 6. Juni 1834

 

Ein Geheimniß

 

Der Menschen Kunde täglich sich vermehret,

Die Sterne mißt, und Erd’ und Meer durchspähet,

Doch um was sich die innre Weisheit drehet,

Liegt heute, wie die Vorzeit es gelehret.

 

Wie tief der Mensch auch forscht, in sich gekehret,

Ein tief Geheimnis durch die Schöpfung gehet,

Und unsichtbar der Hauch der Wahrheit wehet,

Und dunkles Ahnden kaum dem Geist gewähret.

 

Doch an zwei Punkten alle Lösung hänget:

Was das ist, das die Seele hier umkleidet,

In Staub sich löst, in Stein zusammen dränget?

 

Und was ein Wesen von dem andren scheidet,

Da, die der Liebe süße Band’ umwinden,

Doch Eins in zweien ewig nur empfinden.

 

 

 

 

 

 

 

Wilhelm von Humboldt           Nr. 906 vom 23. Juni 1834

1767 – 1835

Die letzten Schranken

 

Von kleinem Hügel man zu größren steiget,

um frei in weite Ferne auszublicken,

doch höhren Berges langgedehnter Rücken

sich, weite Aussicht hemmend, immer zeiget.

 

Und jede Stufe neue Sehnsucht zeuget,

man träumt von nie geahndetem Entzücken;

da plötzlich Gipfel ihre Schatten schicken,

wo jeder Laut lebendgen Wesens schweiget.

 

die bleiben dann vom Wandrer unerstiegen,

er sieht, er muß ein Ziel dem Suchen stecken,

und auf den letzterreichten Höhn verweilen.

 

So auch des Lebens Stufenaler eilen;

erst wächst das Licht, dann sieht man Nacht sich strecken,

und zweifelt, ob die Funken überfliegen.

 

 

 

 

 

 

 

Nr. 908 vom 25. 6. 1834

 

...

Des Menschen Schicksal hat sein Recht geübet

...

des Schiffes Segel ist schon aufgezogen,

das mich zur Küste gegenüber traget...